Fastenpredigt, ausgehend vom Palmsonntag 1995

Themen: Katholische Anmerkungen angesichts der damaligen "Lage der Kirche" in Österreich

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(Rechtsberatung Padre Alex - Mag. Mag. Dr. Alexander Pytlik)


Andächtige in Christus, unserem Erlöser!

Wir dürfen uns tatsächlich weder vom satanischen Liberalismus noch vom heute gängigen Vulgärmodernismus einreden lassen, daß festes, sicheres Stehen in der vollen Wahrheit unseres heiligen katholischen Glaubens Hochmut wäre. Im Bereich der absolut sicheren Wahrheiten von Glaube und Morallehre gilt also vielmehr: wir müssen Gott so sicher die kleinste Wahrheit gemäß Katechismus glauben, daß wir jederzeit ruhigen Gewissens das Martyrium auf uns nehmen würden und nehmen wollten. Im Glaubensbereich wäre es sogar Hochmut, Gott nicht mehr zuzutrauen, daß er uns durch Christus und Seine Kirche, durch Schrift und Tradition die volle Heilswahrheit geschenkt hat, und Ihm, der reinen Wahrheit, nicht einen bedingungslosen Glauben zu schenken.

Aber das ist nicht das einzige Problem eines bestimmten "Neoliberalismus" in Österreich: es ist nämlich wirklich unerhört, wenn sich Politiker, die offensichtlich nicht einen Finger rühren für einen wirksamen rechtlichen Schutz ungeborenen menschlichen Lebens, die im Gegenteil gegen die letzte große Enzyklika "Evangelium des Lebens" und die darin enthaltenen feierlichen Verurteilungen des Abtreibungs- und Altenmordes aufbegehren, die gleichgeschlechtliche Partnerschaften mit christlichen Familien auf eine Stufe stellen möchten, wenn sich also heute Leute, die persönlich und gesellschaftlich von den objektiven Rechten, die schon den ungeborenen Menschen und den Familien zukommen, nichts wissen wollen, plötzlich aufspielen als Sittenwächter über einen medial angeklagten und offensichtlich zur allgemeinen Rufzerstörung freigegebenen Kardinal, wenn wir auch mit Bedauern feststellen müssen, daß leider keine objektive Untersuchung der Vorwürfe stattgefunden hat.

Ja, wir müssen weiter gehen. Die Schweigestrategie, als ob dies alles die Öffentlichkeit in einem katholisch geprägten Land nichts anginge, ist von Anfang an gescheitert. Denn zur Wahrung der kirchlichen Glaubwürdigkeit und zur Erhöhung des Vertrauens insbesondere in die kirchliche Jugendarbeit ist es unabdingbar, daß jeder angegriffene katholische Amtsträger auch in wahrhaftiger Weise Stellung bezieht und entsprechende Konsequenzen gemäß dem Evangelium zieht. Keinem Amtsträger, der schon ohne Worte den Anspruch höchster Moralität vermittelt, kann es sittlich gestattet sein, sich auf eine ausgedehnte (sexuelle) Privatsphäre zurückzuziehen und viele sogenannte einfache Bürger gewissermaßen "blöd sterben" zu lassen. Erst dadurch wird es nämlich möglich, daß es zu ganz falschen "Glaubenskämpfen" in der Frage, ob nun Schuld vorliegt oder nicht, kommen kann. Wenn einige Vorwürfe sexuellen Mißbrauchs stimmen, dann ist dies auch ehrlich einzugestehen und nicht nur mit der Bitte um Vergebung zu verbinden, sondern auch mit dem absoluten Bemühen, für rasche und angemessene Schmerzensgeldzahlungen zu sorgen.

Liebe Andächtige, es schadet uns allen aber gar nicht, den traurigen Anlaß zu nützen und die klassischen Sünden der Rufschädigung ins Gedächtnis zu rufen:

a) Üble Nachrede: Wer ohne objektiv gültigen Grund Fehler und Vergehen eines Mitmenschen gegenüber Personen aufdeckt, die nichts davon wissen. Bedenken wir: Selbst wenn ein Mensch Fehler oder Vergehen aufzuweisen hätte, selbst wenn jemand 100%ig eine erzählbare Sünde begangen hätte, ist es trotzdem üble Nachrede, sie erzählerisch zu verbreiten. Was ist aber nun ein objektiv gültiger Grund: Allgemein gesagt, wenn es wirklich um das Gemeinwohl oder auch, wenn es um Privatwohl geht. Im Interesse des Privatwohls wäre die Offenbarung eines Fehlers nur gestattet, wenn der Fehlende dadurch gebessert werden oder eine andere Person vor Schaden bewahrt werden kann. Auch ist es erlaubt, einem guten Freund erlittenes Unrecht zu erzählen, um bei ihm Trost und Rat zu holen.

Schuldig macht sich b) der Verleumdung, wer also durch wahrheitswidrige Aussagen dem guten Ruf anderer schadet und zu Fehlurteilen über sie Anlaß gibt. Das leuchtet wohl jedem am schnellsten ein, falsche Tatsachen oder reine Vermutungen als Wahrheit zu verkaufen gegen den Nächsten: die schwere Sünde des Rufmordes, der Verleumdung. Im Alten Testament bei Jesus Sirach heißt es bereits: "Sich selbst besudelt der Verleumder - wo er wohnt, ist er verhaßt." (Sir 21,28)

Jede Verfehlung gegen die Gerechtigkeit und die Wahrheit bringt außerdem die Verpflichtung zur Wiedergutmachung mit sich, selbst dann - wie der Katechismus lehrt - selbst dann, wenn dem Rufmörder Vergebung gewährt worden ist. Diese moralische und zuweilen auch materielle Wiedergutmachung ist nach der Größe des verursachten Schadens zu bemessen. Sie ist eine Gewissenspflicht! Der Verleumder müßte daher in den meisten Fällen eingestehen, daß er gelogen hat. Wer üble Nachrede geübt hat, muß die guten Eigenschaften des Verletzten hervorheben und seine Fehler zu entschuldigen suchen, um den guten Ruf wiederum zu fördern. Oft will uns auch nicht einleuchten, daß schon das Anhören einer Ehrabschneidung oder Verleumdung sündhaft ist: Mitwirkung zur Sünde gegen die Gerechtigkeit, vor allem auch, wenn man die Verletzung des guten Rufes nicht verhindert, obwohl man es vielleicht sehr gut könnte.

Liebe Andächtige! Einer der Hauptirrtümer in der aktuellen Diskussion liegt aber vor allem darin, so zu tun, als ob sich an der Verbindlichkeit und Vernünftigkeit des katholischen Glaubens, als ob sich an der Wahrheit der Sittenlehre auch im Bereich der Sexualität nur ein Jota geändert hätte oder ändern würde, wenn in der Geschichte ein Amtsträger dagegen wirklich oder eben nur angeblich gesündigt hätte. Der Heilige Geist garantiert nur, daß die katholische Kirche des Jahres 1995 der Kirche Christi des Jahres 33 im Wesen entspricht, und daß z. B. die größten Sünder auf dem päpstlichen Thron dank des Beistandes Gottes trotz allem unfehlbare Schützer und Lehrer des Glaubens waren und sein werden. Unser Glauben jedoch ist nicht von einer einzelnen menschlichen Person abhängig, obwohl die Glaubwürdigkeit jedes Priesters und Bischofs natürlich äußerst wichtig und wünschenswert ist. Letztlich hängt der katholische Glaube doch nicht von der Heiligkeit oder Sündhaftigkeit eines Priesters ab - wir glauben ja nicht "an die Heiligkeit des Priesters", sondern wir glauben Gott selbst den vom Priester verkündeten Glaubensinhalt, soferne der Priester sich 100%ig dem Katechismus (d. h. der geoffenbarten Wahrheit Gottes) unterstellt. Also: Nicht so sehr auf einen Amtsträger konzentrieren, sondern auf Gott und den Glauben, der uns durch die sichtbare Kirche und ihre glaubenstreuen Priester bis heute zu unserem Heil erreicht (hat). Dann wird unser Glauben krisensicher sein, was auch immer auf die unzerstörbare Kirche Christi zukommen mag.

Ähnlich undurchdacht und vom Krisenwind beeinflußt sind alle Forderungen bezüglich der standesgemäßen Keuschheit jedes Getauften. Dies ist eine Beleidigung und Entleerung des Kreuzes Christi, als ob wir uns überhaupt nicht mehr anstrengen sollten, mit der Gnade Gottes mitzuwirken. In Christus selbst besteht eine enge Verbindung zwischen Jungfräulichkeit und Priestertum (vgl. Paul VI., Schreiben über den Zölibat, 1967). Er hätte sich niemals nur einem einzigen Menschen in der gottgeschaffenen Ehe hingeben können. Der Herr mußte die Apostel wohl so nehmen, wie sie waren, doch der radikale und keinen Aufschub duldende Ruf des Herrn (z. B. Mt 4,20) deutet auf eine mögliche Unvereinbarkeit mit einer normalen Ehe und ihren affektiven, familiären, sozialen und wirtschaftlichen Bindungen hin. Die Apostel enthielten sich daher wohl des Ehegebrauches. Die gelebte Wirklichkeit entsprach also dem Vorzug des Herrn für die Jungfräulichkeit. In den ersten Pfarrgemeinden war es jedoch noch schwer, überhaupt Unverheiratete zu finden. Der Zölibat bedeutete also zunächst für Verheiratete, sich des ehelichen Verkehrs zu enthalten. Das revolutionäre Vorbild der Heiligen Familie führte nun, bestätigt durch die Heilige Schrift (z. B. Mt 19,10 - 12), zu einem gewaltigen Aufbruch der gelebten christlichen Askese. Bald war neben dem Blutmartyrium die Jungfräulichkeit ein anerkanntes länger dauerndes "olympisches" Glaubenszeugnis. Der Zölibat hat seine tiefen Wurzeln also bereits in der Alten Kirche. Die beginnende kirchenrechtliche Fixierung ab dem vierten Jahrhundert (z. B. Synode von Elvira) berücksichtigte so immer mehr die geistgewirkte Praxis der geistlichen Standespflicht, in vollkommener Keuschheit zu leben. Menschen ohne persönliche Gotteserfahrung werden den Zölibat nie verstehen - als Katholiken dürfen wir aber dann ihre Nichteinmischung bei Dingen verlangen, die sie persönlich nicht betreffen und somit nichts angehen, müssen aber auch zugeben, daß der Zölibat rein dogmatisch nicht verlangt ist. Der gültig verheiratete katholische Priester vor allem in den nicht-lateinischen Riten der Kirche darf in keiner Weise zurückgesetzt werden. So müssen wir hellhörig sein und die jeweilige Kultur genau analysieren, wie weit der Zölibat auch heute jenes Zeichen sein kann, das er sein soll, wenn wir Gründe für den Zölibat anführen:

a) Erstens ist es der ewige Hohepriester Jesus Christus selbst: der römisch-katholische Priester ist ja Mann Gottes. Es handelt sich um eine geheimnisvolle Umgestaltung der Person des menschlichen Priesters in die Person Christi selbst hinein. "Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir!" kann jeder Priester seit der Heiligen Weihe sprechen. Jesus Christus hat aber jede Bindung vermieden, die ihn nur irgendwie von seinem Erlösungsdienst wegführen hätte können. Der Erlöser hatte also nur das "Eheband" mit der ganzen Menschheit in der Kirche. In seiner Kirche sollten es einige Priester (heute vor allem in der lateinischen Kirche) ebenso halten.

b) Zweitens ist es die Kirche selbst: der Priester ist Vater, Bruder und Diener aller. Er gehört jener Kirche, die ihn liebt als Braut und die ihm gegenüber auch Rechte hat, die nur sie beanspruchen kann. Erwählt, geweiht und gesandt, um mit dem Wort und der Gnade Gottes die Kirche zu formen, erfährt der Priester seine Notwendigkeit für viele Menschen. Also ist die Jungfräulichkeit fruchtbarer als jede Fruchtbarkeit des Fleisches. Der Priester als Vater in Christus zeugt viele Kinder auf der höheren Ebene der Heiligen Sakramente.

c) Drittens sind es die Letzten Dinge, ist es das ewige Leben selbst: der Priester soll in dieser Zeit prophetischer Zeuge für jene zukünftige Welt sein, in der die volle Gerechtigkeit wohnt und die Erlösten Gott ähnlich sind und ihn schauen. Besonders angesichts der durch den Konsumismus weltweit hervorgerufenen Glaubenskrise kann die freiwillig übernommene vollkommene Enthaltsamkeit um des Himmelreiches willen den Menschen deutlich jene endzeitliche Berufung vor Augen führen, die der Sendung der ganzen Kirche innewohnt. Der lateinische Priester ist also so ein im Guten beunruhigender Zeuge der Ewigkeit, wodurch jedoch die gültig verheirateten Priester anderer Riten der Katholischen Kirche in keiner Weise zurückgesetzt sein sollen. Die Diskussion wird bleiben, wie weit die von der Katholischen Kirche approbierte mildere Zölibatsdisziplin der orientalischen Riten auch für den lateinischen Ritus Zukunftsrelevanz besitzen wird können.

In diesen Tagen aber, liebe Andächtige, wollen wir wirklich immer wieder mit den Worten Christi beten: "Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!" Diese verzeihende Haltung aller echten christlichen Märtyrer wollen wir bei unseren Gebeten für die Kirche in Österreich mit in die Heilige Woche nehmen. AMEN.


Du verstehst etwas nicht, Du hast eine konkrete Frage oder Kritik? Dann nichts wie auf, direkt zum Padre, am besten gleich per eMail oder mittels Formular. Außerdem findest Du hier eine Beratungsseite, wenn Du als zölibatärer Priester ins "Strudeln" zu geraten scheinst. Vergleiche auch die Kommentare zum sogenannten Fall St. Pölten aus dem Jahre 2004!

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